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BU-Versicherung – Vereinbarung über die separate Zahlung von Abschluss- und Vertriebskosten

LG Dresden, Az.: 8 S 625/12

Urteil vom 31.05.2013

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Pirna vom 27.09.2012 (Az.: 12 C 152/12) wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

Beschluss:

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 1.540,41 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

BU-Versicherung - Vereinbarung über die separate Zahlung von Abschluss- und Vertriebskosten
Foto: Mangostar/Bigstock

Der klagende Versicherer nimmt den Beklagten auf Zahlung aus einer Kostenausgleichsvereinbarung vom 03.09.2010 (Anlage H 5, Blatt 33 der Akte) für die Abschluss- und Einrichtungskosten einer Berufsunfähigkeitsversicherung in Anspruch.

Das Amtsgericht Pirna, auf dessen Tatbestand Bezug genommen wird, hat mit Urteil vom 27.09.2012 (Blatt 208 ff der Akte) die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung wird verwiesen.

Gegen diese Abweisung richtet sich die Berufung der Klägerin.

Sie ist der Auffassung, § 169 Abs. 5 Satz 2 VVG gelange vorliegend nicht zur Anwendung, da die Parteien hier eine separate Kostenausgleichsvereinbarung im Zusammenhang mit dem Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung abgeschlossen haben. Aus der Gesetzesbegründung zum neuen VVG, Bundestagsdrucksache 16/3945 ergebe sich, dass § 169 Abs. 5 VVG allein den Fall einer sogenannten Bruttopolice und nicht (wie vorliegend) den Fall einer Nettopolice regele.

Auch aus dem Vergleich mit der Maklerprovision ergebe sich, dass der Kostenausgleichsvertrag nicht zwangsläufig das Schicksal des Versicherungsvertrages als Hauptvertrag teilen müsse. Die Klägerin verweist in diesem Zusammenhang auf das Urteil des Landgerichtes Leipzig vom 19.04.2012, Az.: 3 S 571/11 (dokumentiert bei juris).

Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Amtsgerichts Pirna vom 27.09.2012 (Az.: 12 C 152/12), den Beklagten zu verurteilen, an sie 1.540,41 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14.01.2012 zu zahlen;

hilfsweise, das Urteil des Amtsgerichts Pirna vom 27.09.2012 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Pirna zurückzuweisen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenausgleichsvereinbarung sei gemäß § 134 BGB nichtig, da diese § 169 Abs. 5 Satz 2 VVG i.V.m. § 176 VVG umgehe. In § 169 Abs. 5 VVG habe der Gesetzgeber seinen Willen zum Ausdruck gebracht, wonach der Versicherer im Falle der Kündigung des Versicherungsvertrages noch nicht getilgte Abschluss- und Vertriebskosten nicht mehr beanspruchen könne.

Im Übrigen verstoße die Kostenausgleichsvereinbarung gegen §§ 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 309 Nr. 6 BGB. Auch habe der Beklagte mit Schreiben vom 19.03.2012 seine auf den Abschluss der Kostenausgleichsvereinbarung gerichtete Willenserklärung widerrufen. Dem Beklagten stehe jedenfalls ein Schadensersatzanspruch zu, da er nicht über die im Vergleich zur Bruttopolice bestehenden Nachteile der Nettopolice in Verbindung mit der streitgegenständlichen Kostenausgleichsvereinbarung aufgeklärt worden sei.

Von der Darstellung des weiteren Sachverhaltes wird abgesehen (§ 540 Abs. 2 ZPO).

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung in Höhe von 1.540,41 EUR aus der Kostenausgleichsvereinbarung vom 03.09.2010. Das Amtsgericht hat die Klage mit zutreffender Begründung abgewiesen.

1.

Gemäß § 176 VVG sind auf die (wie vorliegend) Berufsunfähigkeitsversicherung die §§ 150 bis 170 VVG entsprechend anzuwenden, soweit die Besonderheiten dieser Versicherung nicht entgegen stehen. Besonderheiten, die vorliegend einer Anwendung des § 169 VVG entgegen stehen, sind nicht ersichtlich. Es wird insoweit auf die Ausführungen des Amtsgerichts verwiesen, die die Klägerin mit ihrer Berufung auch nicht angreift.

2.

Die Kostenausgleichsvereinbarung vom 03.09.2010 ist als Umgehungsgeschäft zu § 169 Abs. 5 Satz 2 VVG gemäß § 134 BGB nichtig. An der abweichenden Entscheidung des Landgerichts Dresden (Einzelrichter) vom 17.07.2012 (AZ: 8 S 612/11) wird nicht festgehalten.

a)

Nach § 169 Abs. 5 Satz 2 VVG ist die Vereinbarung eines Abzuges für noch nicht getilgte Abschluss- und Vertriebskosten unwirksam.

Die (vorliegend gewählte) Vereinbarung über die separate Zahlung der Abschluss- und Vertriebskosten des Versicherungsvertrages, die trotz Beendigung des Versicherungsvertrages unabhängig von der Dauer seines Bestehens in voller Höhe vereinbarungsgemäß zu zahlen sind, verstößt als Umgehungsgeschäft gegen den Rechtsgedanken, der § 169 Abs. 5 Satz 2 VVG zugrunde liegt.

Eine Gesetzesumgehung liegt nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung dann vor, wenn die Gestaltung eines Rechtsgeschäfts objektiv den Zweck hat, den Eintritt einer Rechtsfolge zu verhindern, die das Gesetz für derartige Geschäfte vorsieht; eine Umgehungsabsicht ist nicht erforderlich (BGHZ 110, 230, 233 m.w.N.).

Sinn und Zweck der in § 169 Abs. 5 Satz 2 VVG getroffenen Regelung ist es, zu verhindern, dass der Versicherungsnehmer mit Abschluss- und Vertriebskosten, die in den zukünftigen, (nach Kündigung) nicht mehr geschuldeten Prämien enthalten sind, belastet wird (BT-Drucksache 16/3945, S.104).Damit soll eine unangemessene Belastung des früh kündigenden Versicherungsnehmers unterbunden werden, wobei sich aus § 169 Abs. 3 Satz 1 VVG ergibt, welche Belastung der Gesetzgeber maximal für angemessen erachtet. Der den Versicherungsvertrag beendende Versicherungsnehmer soll nicht wegen einer fortbestehenden Zahlungsverpflichtung im Hinblick auf Abschluss- und Vertriebskosten durch Verrechnung mit dem Rückkaufswert faktisch in seiner Entschließungsfreiheit im Hinblick auf die Kündigungsmöglichkeit eingeschränkt werden (so auch Landgericht Rostock vom 06.08.2010, NJW RR 2010, 1694). Sichergestellt werden soll auch, dass dem früh kündigenden Versicherungsnehmer ein Mindestrückkaufswert zusteht (BT-Drucksache 16/3945, S. 102).

Für die wirtschaftliche Belastung des Versicherungsnehmers ist es aber gleichgültig, ob bei einer Bruttopolice ein Kostenanteil abgezogen wird oder ob (wie hier) neben einer Nettopolice ein eigenständiger Kostenausgleichsanspruch begründet wird (so im Ergebnis auch LG Cottbus, Urteil vom 20.06.2012, Az.: 1 S 142/11; dokumentiert in juris). Die vertragliche Gestaltung einer Nettopolice mit einem eigenständigen Kostenausgleichsanspruch darf nicht anders behandelt werden als die in § 169 Abs.5 S.2 VVG unmittelbar allein geregelte Bruttopolice.

b)

Eine unterschiedliche Behandlung von Brutto- und Nettopolicen kann (entgegen der Auffassung der Klägerin) zur Überzeugung der Kammer auch nicht mit dem Argument gerechtfertigt werden, dass dem Versicherungsnehmer durch die gesonderte Vereinbarung eines Kostenausgleiches bewusst gemacht werde, in welcher Höhe dem Rückkaufswert ein Kostenausgleichsanspruch gegenüber stehe. Denn dieser Betrag muss auch bei einer Bruttopolice gemäß § 169 Abs. 5 Satz 1 VVG im Vertrag beziffert werden. Das Transparenzgebot gilt für Brutto- wie für Nettoversicherungen.

c)

Auch aus dem von der Klägerin bemühten Vergleich mit der Maklerprovision ergibt sich nichts anderes.

Zum einen bestimmt (wie ausgeführt) allein § 169 Abs. 3 Satz 1 VVG welche Kosten mit dem Rückkaufswert verrechnet werden dürfen. Zum anderen ist die an einen Dritten (Makler) für seine eigenständige Tätigkeit zu zahlende Vergütung nicht mit den an die Klägerin als Partnerin des Hauptvertrages zu zahlenden Kosten vergleichbar (so auch LG Rostock a.a.O.).

d)

Der Ansicht der Kammer steht auch nicht die Rechtsprechung des 3. Zivilsenates des Bundesgerichtshofes entgegen.

Danach bestehen im Hinblick auf § 134 BGB keine Bedenken gegen die Wirksamkeit einer Vereinbarung einer vom Kunden an den Versicherungsmakler zu zahlenden Provision bei der Vermittlung eines Lebensversicherungsvertrages mit Nettopolice (vgl. zuletzt Urteil vom 18.10.2012 – III ZR 106/11 – (NJW 2012, 3719 Rn 13; zitiert nach juris).

Diese Rechtsprechung betrifft allein das Verhältnis zwischen dem Handels- bzw. Versicherungsmakler (§ 93 HGB, § 59 Abs. 3 VVG) und seinem Kunden; nicht das Rechtsverhältnis zwischen dem Versicherer (oder dessen Vertreter, § 59 Abs. 2 VVG) und dem Versicherungsnehmer.

Zudem verweist das Urteil des 3. Zivilsenates vom 18.12.2012 (vgl. aaO, Rn 13) ausdrücklich auf Senatsurteile aus dem Jahre 2005. § 169 Abs.5 Satz 2 VVG ist aber (erst) mit der Reform des VVG vom 23.11.2007 (BGBl I S. 2631) eingeführt worden.

3.

Vorliegend kann dahin stehen, ob die Kostenausgleichsvereinbarung insgesamt unwirksam ist oder ob der Beklagten anteilig entsprechend der Laufzeit der Berufsunfähigkeitsversicherung verpflichtet bleibt (vgl. auch LG Cottbus a.a.O.). Denn unstreitig entrichtete der Beklagte im Zeitraum vom September 2010 bis einschließlich Mai 2011 hierauf die vereinbarte monatliche Rate in Höhe von 28,44 EUR und diese Frage ist im Übrigen auch nicht streitgegenständlich.

4.

Auf die zwischen den Parteien im Übrigen streitigen Punkte kam es danach nicht mehr an.

5.

Den hilfsweise gestellten Antrag der Klägerin auf Aufhebung des Urteils des Amtsgerichts Pirna vom 27.09.2012 und Zurückweisung des Rechtsstreites zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht ist nicht stattzugeben.

Die Klägerin hat ihren Hilfsantrag bereits nicht begründet und die Voraussetzungen des § 538 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 709 ZPO.

Die Revision war nach § 543 Abs. 2 ZPO unbeschränkt zuzulassen, da es zur Frage der Anwendbarkeit des § 169 Abs. 5 Satz 2 VVG auch auf Nettopolicen in Verbindung mit Kostenausgleichsvereinbarungen – soweit ersichtlich – keine obergerichtliche Rechtsprechung gibt und die Frage durch den Bundesgerichtshof .- soweit ersichtlich – nicht entschieden ist (vgl. Pressemitteilung Nr. 45/2013 des Bundesgerichtshofes vom 19.03.2013). Die Instanzgerichte entscheiden diese Frage unterschiedlich, so dass zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichtes geboten ist.

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