LG Dortmund, Az: 2 O 249/13, Urteil vom 06.02.2014
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.112,90 EUR (in Worten: fünftausendeinhundertzwölf 90/100 Euro) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.07.2013 sowie weitere 295,80 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.07.2013 zu zahlen.
Die Beklagte wird ferner verurteilt, an die Klägerin 603,93 EUR zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt nach einem Streitwert von 5.408,70 EUR die Beklagte.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die als Arzthelferin tätig gewesene Klägerin unterhält bei der Beklagten eine Berufsunfähigkeitszusatzversicherung auf Basis einer Risikolebensversicherung. Der Berufsunfähigkeitszusatzbedingung liegen Bedingungen (Nr. 113111) für die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung (BUZ 92) mit 50 %-Klausel zu Grunde, auf die Bezug genommen wird.
Als die Klägerin mit Antrag vom 14.07.2012 wegen psychischer Erschöpfung Leistungen aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung beantragte, stellte die Beklagte während des noch laufenden Leistungsprüfungsverfahrens mit Schreiben vom 20.08.2012 die vereinbarte Rente vom 01.02.2012 bis einschließlich August 2012 zur Verfügung. Nach Abschluss der Leistungsprüfung lehnte sie mit Schreiben 07.03.2013 den Leistungsantrag ab unter Bezugnahme auf ein Gutachten vom 13.07.2012, wonach Arbeitsunfähigkeit seit dem 23.01.2012 bei der Klägerin vorliegt, da davon auszugehen sei, dass die Klägerin bis Mitte August ihre Berufstätigkeit wieder aufnehmen könne und spätestens ab der 33. Kalenderwoche eine stufenweise Wiedereingliederung anzuraten sei. Auf eine Rückforderung der erbrachten Leistungen verzichtete die Beklagte.
Die Klägerin ist unstreitig jedenfalls seit dem 01.07.2013 wieder arbeitsfähig, aber arbeitslos gemeldet. Sie behauptet bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit bis einschließlich Juni 2013. Mit der Klage macht sie die versprochenen Leistungen von September 2012 bis einschließlich Juni 2013 geltend.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 5.112,90 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.07.2013 zu zahlen zuzüglich außergerichtlicher Mahnkosten in Höhe von 1.196,43 EUR; die Beklagte darüber hinaus zu verurteilen, an die Klägerin weitere 295,80 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie bestreitet die von der Klägerin vorgetragene Berufstätigkeit in der konkreten Ausprägung sowie bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit im Anspruchszeitraum.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist bis auf eine Zuvielforderung bei den Nebenkosten begründet.
Die Klägerin kann von der Beklagten die im abgeschlossenen Versicherungsvertrag über eine Berufsunfähigkeitszusatzversicherung versprochenen Leistungen (Rente und Beitragsbefreiung) für die Zeit von September 2012 bis einschließlich Juni 2013 verlangen, weil die Beklagte nach Leistungsprüfung auf Grund der ihr zu diesem Zeitpunkt vorliegenden ärztlichen Berichte und Gutachten verpflichtet gewesen wäre, das nach den vereinbarten Versicherungsbedingungen gebotene Leistungsanerkenntnis abzugeben. Das bedingungswidrige Unterlassen der Abgabe des gebotenen Leistungsanerkenntnisses führt zu dessen Fiktion, so dass sich die Beklagte so behandeln lassen muss, als hätte sie ein Leistungsanerkenntnis abgegeben, welches den Leistungsanspruch der Klägerin begründet.
1. Das Schreiben der Beklagten vom 20. August 2012, mit der die Beklagte der Klägerin Leistungen für die Zeit vom 01.02.2012 bis zunächst 01.09.2012 zur Verfügung gestellt hat, stellt auch aus der Sicht der Klägerin kein die Beklagte zur Leistung verpflichtendes Anerkenntnis dar, da die Beklagte die Leistungen ausdrücklich „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ zur Verfügung gestellt hat. Zwar kann auch trotz des Hinweises „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ die Zurverfügungstellung von Leistungen aus Sicht des Versicherungsnehmers ein bedingungsgemäßes Leistungsanerkenntnis darstellen (OLG Karlsruhe, r+s 2013, 34). Das Schreiben der Beklagten vom 20. August 2012 hat jedoch auch für die Klägerin hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass die Zurverfügungstellung von Leistungen bis zunächst zum 01.09.2012 lediglich kulanzweise erfolgt. Denn bereits im Einleitungssatz weist die Beklagte darauf hin, dass nach den bisher vorliegenden Unterlagen über die Frage der Berufsunfähigkeit der Klägerin derzeit noch nicht entschieden werden könne. Sodann erläutert die Beklagte, dass die noch andauernde Leistungsprüfung sich für die Klägerin nicht negativ auswirken solle und ihr deswegen ohne Anerkennung einer Rechtspflicht Leistungen zur Verfügung gestellt werden sollen. Anschließend weist die Beklagte durch einen drucktechnisch hervorgehobenen Satz darauf hin, dass mit diesem Schreiben noch keine Entscheidung über die Frage einer bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit verbunden sein soll. Dadurch hat die Beklagte den Kulanzcharakter ihrer Entscheidung hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, so dass auch die Klägerin das Schreiben vom 20.08.2012 nicht als bedingungsgemäßes Leistungsanerkenntnis verstehen konnte.
2. Die Beklagte wäre aber verpflichtet gewesen, nach Abschluss ihrer Leistungsprüfung auf der Grundlage der von ihr beigezogenen ärztlichen Berichte und Gutachten ihre Leistungspflicht anzuerkennen, anstatt mit Schreiben vom 07. März 2013 den Leistungsantrag der Klägerin abzulehnen.
a) Gemäß § 2 der vereinbarten BUZ 92 liegt Berufsunfähigkeit nicht nur dann vor, wenn die versicherte Person voraussichtlich 6 Monate ununterbrochen außerstande ist, ihren Beruf auszuüben, sondern auch dann, wenn die versicherte Person 6 Monate ununterbrochen krankheitsbedingt außerstande gewesen ist, ihren Beruf auszuüben. Im letzteren Fall gilt dieser Zustand von Beginn an als Berufsunfähigkeit.
b) In Anwendung dieser vertraglichen Vereinbarungen hätte die Beklagte das in § 5 BUZ 92 geregelte Leistungsanerkenntnis aussprechen müssen. denn nach dem ihre Leistungsentscheidung zu Grunde gelegten sozialmedizinischen Gutachten des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Westfalen-Lippe vom 13.07.2012 war die Klägerin seit dem 23.01.2012 arbeitsunfähig und sollte in der Lage sein, ihre Berufstätigkeit Mitte August wieder aufzunehmen und spätestens ab der 33. Kalenderwoche in der Lage sein, eine stufenweise Wiedereingliederung vorzunehmen. Nach einem der Beklagten ebenfalls vorliegenden Bericht des Hausarztes der Klägerin vom 06.07.2012 sollte bei der Klägerin in ca. 2 Monaten mithin frühestens ab September 2012 Arbeitsfähigkeit wieder vorliegen, nachdem der ärztliche Bericht des Hausarztes vom 01.06.2012 den voraussichtlichen Beginn der Arbeitsfähigkeit noch mit dem 06.06.2012 angegeben hatte.
Nach diesen ärztlichen Berichten und Gutachten, die die Beklagte ihrer Leistungsentscheidung zu Grunde gelegt hat, bestand für einen Zeitraum von mehr als 6 Monaten ununterbrochener Arbeitsunfähigkeit der Klägerin in ihrem Beruf als Arzthelferin. Diese, die Prognose bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit ersetzende sogenannte fiktive Berufsunfähigkeit gemäß § 2 der vereinbarten BUZ 92 gilt von Beginn an als Berufsunfähigkeit, so dass zum Zeitpunkt der Leistungsentscheidung der Beklagten die vereinbarten Voraussetzungen für ein bedingungsgemäßes Leistungsanerkenntnis durch die Beklagte vorlagen. Ärztliche Berichte, die eine durchgehende über 6 Monate währende Arbeitsunfähigkeit der Klägerin in Frage stellen können, hat die Beklagte weder zu den Akten gereicht noch vorgetragen, so dass das Gericht davon ausgehen muss, dass die erwähnten ärztlichen Berichte und Gutachten für die Leistungsentscheidung der Beklagten maßgebend waren und die Beklagte in Verkennung ihres eigenen Bedingungswerkes den Leistungsantrag der Klägerin abgelehnt hat, statt ihm stattzugeben.
Gibt aber der Versicherer ein nach den Bedingungen gebotenes Leistungsanerkenntnis nicht ab, wird sein gebotenes Anerkenntnis fingiert mit der Folge, dass der Versicherer verpflichtet ist, die bedingungsgemäßen Leistungen – im vorliegenden Fall monatliche Rente und Beitragsbefreiung – zu erbringen (vgl. BGH, VersR 2007, 1398; OLG Karlsruhe, r+s 2013, 34; OLG Saarbrücken, ZFS 2013, 403; Lücke in Prölss/Martin, VVG, 28. Auflage, § 173 Nr. 13; Voit/Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung, 2. Aufl., S, 410; vgl. auch Rixecker in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, 2. Auflage, § 46, Rn. 143).
3. Mithin ist die Beklagte verpflichtet, der Klägerin die im Versicherungsvertrag über die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung versprochenen monatlichen Renten sowie die Beitragsbefreiung auch für den beanspruchten Zeitraum September 2012 bis einschließlich Juni 2013 zur Verfügung zu stellen, da sie ihre Leistungspflicht nicht beendet hat, was nur über das bedingungsgemäß vorgesehene Nachprüfungsverfahren hätte geschehen können. Die Höhe der Leistung ist zwischen den Parteien unstreitig.
Nicht anrechenbare vorgerichtliche Anwaltskosten kann die Klägerin nicht in der verlangten Höhe, sondern lediglich ausgehend vom Streitwert dieses Verfahrens verlangen, so dass die Klage insoweit der Abweisung unterlag.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.