Im Versicherungsvertragsgesetz (VVG) wird der Begriff der Berufsunfähigkeit im Kapitel 6, Paragraf 172, Absatz 2 genauer definiert. Dort heißt es:
Berufsunfähig ist, wer seinen zuletzt ausgeübten Beruf, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war, infolge Krankheit, Körperverletzung oder mehr als altersentsprechendem Kräfteverfall ganz oder teilweise voraussichtlich auf Dauer nicht mehr ausüben kann.
Im dritten und abschließenden Absatz, erlaubt der Paragraf 172 den Versicherungsunternehmen jedoch die Einschränkung ihrer Leistungspflicht. Sie dürfen ihre eigene Definition der Berufsunfähigkeit in die Vertragsbedingungen integrieren. Diese berühmten „Klauseln“ gehen häufig zu Lasten der Versicherten.
Zu den besonders ungünstigen Versicherungsklauseln zählt die so genannte „abstrakte Verweisung“.
Was bedeutet die abstrakte Verweisung?
In vielen Berufsunfähigkeitsversicherungsverträgen, insbesondere in älteren Policen, findet sich eine Definition des Begriffs Berufsunfähigkeit, der zumindest sinngemäß folgendem Wortlaut entspricht:
Vollständige Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn der Versicherte infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich mindestens 3 Jahre außerstande ist, seinen zuletzt vor Eintritt des Versicherungsfalles ausgeübten Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die aufgrund seiner Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und seiner bisherigen Lebensstellung entspricht.
Die Formulierung „oder eine andere Tätigkeit auszuüben“, bildet den Knackpunkt in dieser Definition. Viele Versicherungen berufen sich auf diesen Verweis, um die begehrte Leistung abzulehnen. Im Versicherungsjargon spricht man von der so genannten „abstrakten Verweisung“, wenn eigentlich berufsunfähige Versicherte, die nicht mehr in ihrem zuletzt ausgeübten Beruf arbeiten können, einfach ersatzweise auf die immer noch mögliche Ausübung einer anderen Tätigkeit verwiesen werden. Zwar muss diese Alternativtätigkeit der bisherigen Lebensstellung entsprechen, also ein ähnlich hohes Einkommen bieten und eine ähnlich große soziale Wertschätzung genießen. Ob der aktuelle Arbeitsmarkt eine entsprechenden Job zur Verfügung stellt oder nicht, spielt dabei aber keine Rolle, deshalb spricht man von einer „abstrakten“ Verweisung.
Beispiel für die praktischen Folgen der abstrakten Verweisung
Wenn ein Chirurg infolge eines Unfalls den Zeigefinger seiner Arbeitshand verliert, kann er seine bisherige Tätigkeit nicht mehr ausüben. Eigentlich liegt ein typischer Fall von Berufsunfähigkeit vor und die Versicherung müsste leisten. Enthält der Versicherungsvertrag jedoch eine „abstrakte Verweisung“, darf die Versicherung den Chirurgen beispielsweise auf eine Ersatztätigkeit als ärztlichen Berater verweisen und die Leistungspflicht ablehnen. Der Chirurg trägt dabei das Risiko einen entsprechenden Arbeitsplatz zu finden.
Unser Tipp:
Wir empfehlen jedem Interessen, vor dem Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung die Vertragsbedingungen auf die „abstrakte Verweisung“ zu überprüfen und gegebenenfalls das Angebot abzulehnen. Die Wirkung dieser Klausel widerspricht dem Sinn und Zweck der privaten Berufsunfähigkeitsversicherung
Die konkrete Verweisung in der Berufsunfähigkeitsversicherung
Die abstrakte Verweisung ist nicht zu verwechseln mit der konkreten Variante, letztere ist weitaus weniger problematisch und in nahezu jeder Berufsunfähigkeitsversichrung zu finden. Sie stellt die Versicherung von der Leistungspflicht frei, wenn der Versicherte bereits wieder eine andere Berufstätigkeit ausübt. Diese Tätigkeit muss bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Diese sollten möglich detailliert im Versicherungsvertrag definiert werden.
Für die Versicherten ist die konkrete Verweisung auf Berufe günstig, die ihrer Ausbildung und Erfahrung entsprechen, die gleiche soziale Wertschätzung wie die zuletzt ausgeübte Tätigkeit genießen und höchstens 20% weniger Einkommen bieten. In solchen Fällen ist der Versicherte in der Regel auch gar nicht auf die BU-Rente angewiesen, um sein Auskommen zu sichern.
Wenn Sie Fragen zum Thema Berufsunfähigkeitsversicherung haben, beispielsweise eine Beratung vor dem Abschluss einer entsprechenden Police wünschen oder Unterstützung bei der Durchsetzung Ihrer Leistungsansprüche benötigen, können Sie sich jederzeit an uns wenden. Wir stehen Ihnen gerne mit Rat und Tat zur Seite. Allein die Einschaltung unserer Kanzlei zeigt der Gegenseite, dass Sie es wirklich ernst meinen und sich nicht mit fadenscheinigen Ausreden abwimmeln lassen. Wir sind stets bemüht eine gütliche Einigung mit der Versicherung zu erzielen. Oberste Priorität hat aber die Durchsetzung Ihrer Rechte und Ansprüche, für dieses Ziel gehen wir mit Ihnen notfalls auch vor Gericht.